Brodelnde Geysire und tosende Wasserfälle

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Natur pur lautet das Motto für Island, und die kann man am besten beim Campen erleben. Statt Zelt – viel zu kalt, das Thermometer auf dem Flughafen Keflavik zeigt gerade mal neun Grad – habe ich mich für einen gemieteten Camper entschieden. Der hat Allrad-Antrieb, sieht aus wie ein Geländewagen mit einem kleinen Haus auf der Ladefläche, und mit dem geht es jetzt zur Blauen Lagune.

Entspannen in der Blauen Lagune 

Die Isländer lieben das Baden, neben einer dicken Jacke gehört die Badehose zu ihrem wichtigsten Kleidungsstück – und die Blaue Lagune ist hier der populärste Badeort. Kein Wunder: Die skurrile Badelandschaft inmitten der Natur ist von schwarzer Lava umschlossen, das Thermalwasser lauschige 38 Grad warm. Neun Grad Außentemperatur? Macht nichts. Ich lasse mich in dem milchig-blauen Wasser treiben, gucke träge zum strahlend blauen Himmel und verteile Kieselerde auf meinem Gesicht. Das sei gut für den Teint, erklärt mir ein kontaktfreudiger Amerikaner, und reibt die weiße Masse auf seine Schultern.

Vorsicht, aktiver Geysir: Es riecht nach Schwefel

Was muss man sich in Island noch angucken? Geysire natürlich: Aufgewärmt geht’s weiter in das Haukadalur-Gebiet, zum „Großen Geysir“. Schoss im 18. Jahrhundert noch alle 30 Minuten eine Fontäne nach oben, passierte beim Namensgeber aller Springquellen lange Zeit gar nichts. Erst nach einem Erdbeben im Jahr 2000 zeigt er wieder mäßige Aktivität. Da ist sein Nachbar Strokkur etwa 100 Meter entfernt schon deutlich fleißiger: Alle paar Minuten drückt der Geysir mit einem lauten „Ffffft“ heißes Wasser nach oben. Es blubbert, zischt, dampft und riecht nach Schwefel.  Bevor es an die Südküste Islands geht, ist noch Zeit für einen Zwischenstopp bei einem der schönsten Wasserfälle der ganzen Insel: Gulfoss – goldenen Wasserfall – nennen die Isländer das Naturphänomen. Unter dumpfen, tosenden Geräuschen stürzen sich die Wassermassen über mehrere breite Stufen in eine schmale Basaltschlucht. Während der Gulfoss durch seine Größe und die verschiedenen Plateaus fasziniert, ist der Skogarfoss, den ich einige Tage später angucke, durch seine Höhe imposant: 60 Meter tief rauscht das Wasser, winzig klein fühlt man sich am Fuß des Wasserfalls, dem man sich besser in kompletter Regenmontur nähert. Doch die gehört in Island ohnehin zur Grundausrüstung. Aus der Ruhe bringt das die Isländer aber nicht. Vielleicht weil sie wissen, was die Touristen erst noch lernen müssen: Das Wetter ändert sich ständig. Wenn es jetzt nieselt, kann eine Stunde später schon wieder die Sonne scheinen.

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Islands Nächte sind hell

Ein weiteres Phänomen: In Island sind die Sommermonate hell. Nachts dämmert es lediglich, wird aber nicht dunkel. Die Isländer haben sich pragmatisch an die langen Sommertage und die – mit wenigen Stunden Tageslicht –  kurzen Wintertage angepasst. Sie arbeiten im Sommer lange. So kann es passieren, dass man auch um 22 Uhr noch an einem Isländer vorbeigeht, der fröhlich vor sich hinsummend die Hecke in seinem Vorgarten stutzt. Ein weiteres Muss für Island-Besucher ist ein Besuch im Þingvellir. Die Bewohner sind stolz auf ihren Nationalpark – „nationaler Schrein aller Isländer“ steht auf der Broschüre, die mir die nette Mitarbeiterin im Info-Center gibt. Hier driften die amerikanische und die europäische tektonische Platte auseinander. Kilometerlange, tiefe Spalten ziehen sich durch das rund 50 Quadratkilometer große Gebiet, das seit 2004 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Und hier befindet sich das Zentrum der isländischen Kultur: In Þingvellir gründeten die Isländer im Jahr 930 das älteste Parlament der Welt. Wunderbar ruhig ist es im Nationalpark. Wenn man mal von den Touristen der japanischen Reisegruppe absieht, die sich gegenseitig vor den Sehenswürdigkeiten digital verewigen.Weiter geht es entlang der Südküste Richtung Osten. Vorbei an riesigen Bergmassiven und schwarzen Lavabrocken, die ein Vulkan vor Ewigkeiten ausgespuckt hat. Hier kann man sich gut vorstellen, dass in den 60er-Jahren amerikanische Astronauten in ihren Schutzanzügen auf der Insel herumhüpften, um unter realistischen Bedingungen für die Mondlandung zu trainieren. Surreal, rau und abwechslungsreich ist die Landschaft.

Wie James Bond auf dem Gletschersee unterwegs

Und manchmal ist sie auch eiskalt: Ungefähr elf Prozent der Oberfläche Islands wird von Gletschern bedeckt.

Der größte ist der Vatnajökull, er erstreckt sich über unvorstellbare 8.300 Quadratkilometer. Direkt an der Küste hat sich ein Gletschersee gebildet, der Jökulsárlón. Den fand auch schon James Bond in „Die Another Day“ faszinierend. Während sich 007  allerdings beherzt mit einem Eisblock ins Wasser stürzte und den Spoiler eines Eisgleiters gewieft als Surfbrett nutzte, entscheide ich mich für etwas weniger Anstrengendes: eine Bootstour zwischen den Eisbergen. Bis zu 15 Meter hoch ragen die bizarren Klötze aus dem Wasser, blau-schwarz schimmert das Gletschereis, das an dem Amphibienboot vorbeizieht. Zwischen fünf und sieben Jahre schwimmen die vom Gletscher abgespaltenen Eisblöcke auf dem See, dann treiben sie aufs offene Meer hinaus, erklärt uns die Mitarbeiterin vom Gletscherlagunen-Team. Sie rollt das „R“ genauso wie Björk, dem bekanntesten Export der Insel, und spricht – wie fast alle jüngeren Isländer – fließend Englisch.

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Reykjavik ist klein und hip 

Dass die Isländer außerdem eher Trends setzen, als ihnen hinterherzulaufen, sieht man in Reykjavik. Kleine Galerien, moderne Cafés und szenige Clubs säumen die Haupteinkaufsstraßen der Innenstadt. Outfits, die die Modemagazine jetzt zeigen –  und die noch Monate brauchen, bis sie auf deutschen Straßen zu sehen sind – hier, in der mit 116.000 Einwohnern wohl kleinsten Hauptstadt der Welt, werden sie bereits getragen.Wer klassisch schöne Sehenswürdigkeiten erwartet, wird allerdings enttäuscht. Die  Ein- und Mehrfamilienhäuser aus Beton, die das Bild der Stadt prägen, sind eher funktional als schön. Doch die häufige Verwendung des Baumaterials macht Sinn: Beton ist elastisch, und das ist bei den regelmäßig auftretenden Erdbeben wichtig.  Auch das Wahrzeichen der Stadt – die Kirche Hallgrimskirka – ist optisch gewöhnungsbedürftig. Man muss sich schon ein bisschen Zeit nehmen, um den Charme Reykjaviks zu entdecken. Denn der ist – ähnlich wie die durch Vulkantätigkeiten geprägte schroffe Landschaft der Insel – auch hier rau.

(Auszüge sind in der NWZ erschienen, Juli 2008)

Buchtipps:
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Kategorie: Trip-Tipps | Tags:

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